Ankunft in Dresden
»Dresden erwischt mich nicht wieder!«, schrieb Carl Maria von Weber (1786–1826) am 14. Februar 1812 nach seinem ersten Besuch in der Stadt an der Elbe in sein Tagebuch. Er befand sich auf Konzerttournee und hatte in Dresden nur wenige Einnahmen erzielen können:
»Nie habe ich einen Ort gefunden, wo wir von Seiten der Bewohner so miserabel aufgenommen worden sind.«
Dass er ab 1817 – also nur wenige Jahre später – hier als Hofkapellmeister leben und bis zu seinem Tod 1826 wirken würde, war für ihn damals noch nicht absehbar. Eigentlich war es Webers Wunsch gewesen, im Anschluss an seine Anstellung als Kapellmeister am Ständetheater in Prag (1813–1816) nach Berlin verpflichtet zu werden, wie er Carl von Brühl unmittelbar vor dessen Amtsantritt als Berliner Generalintendant 1814 schrieb. Doch diese Pläne zerschlugen sich, und der preußische König Friedrich Wilhelm III. verpflichtete den italienischen Komponisten und Dirigenten Gaspare Spontini als Generalmusikdirektor an das Königliche Opernhaus.
Carl Maria von Weber wurde am 18. oder 19. November 1786 in Eutin bei Kiel geboren. Sein Vater, Franz Anton von Weber, wirkte dort als Stadtmusiker. Seine Mutter, Genovefa von Weber, war Opernsängerin. Aus der ersten Ehe des Vaters stammten mehrere Halbgeschwister, die alle als Musiker wirkten. Die Familie blieb nur kurz in Eutin. Von 1789 an reiste man als Weber'sche Operngesellschaft durch Thüringen, Franken und das Salzburger Land.
Webers Kindheit war von Reisen und vom Leben auf den Theaterbühnen geprägt. Mit der Operngesellschaft seines Vaters verweilte er nie lange an einem Ort. So lernte er aber die Theaterwelt von Kindesbeinen an kennen und wusste, wofür sich die Menschen begeisterten. Von 1791 an, Weber war 5 Jahre alt, sind erste kleine Auftritte von ihm überliefert.
Weber und seine Geschwister wurden vom Vater umfassend musikalisch ausgebildet, in Carl Maria sag man ein ›Wunderkind‹. Ab dem Alter von zehn Jahren erhielt Weber eine intensive musikalische Ausbildung bei Michael Haydn und Abbé Vogler. Es entstanden erste Kompositionen, wie beispielsweise die »Sechs Fugetten«, die der Vater in Salzburg drucken ließ.
Nach dem Tod der Mutter 1797 erhielt Weber in München weiteren Kompositions- und Gesangsunterricht. Es entstand seine erste Oper »Die Macht der Liebe und des Weins«. Das Werk gilt als verschollen.
Am 24. November 1800 wurde im sächsischen Freiberg Webers zweite Oper »Das Waldmädchen« uraufgeführt – Weber war gerade 14 Jahre alt. Die als Werk eines »Wunderkindes« angepriesene Oper hatte jedoch nicht den Erfolg, den Weber sich erhoffte, und es entbrannte eine öffentliche Diskussion über die Qualität des Stückes. Vater und Sohn verließen daraufhin die Stadt und wandten sich nach Salzburg. In Salzburg entstand Webers dritte Oper »Peter Schmoll«, deren Autograph heute in Dresden in der Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek aufbewahrt wird.
Im Alter von 18 Jahren übernahm Carl Maria von Weber 1804 seine erste Kapellmeisterstelle am Theater Breslau, wofür ihn sein Lehrer, Georg Joseph Vogler, empfohlen hatte. Mit seinem ambitionierten Auftreten, seiner Disziplin und seiner Strenge begründete sich Webers Ruf als Dirigent, wobei er anfangs für seine schnellen Tempi gerügt wurde.
In Breslau war der Verdienst sehr gering, sodass Weber kündigte und versuchen wollte, als Lehrer und freischaffender Komponist zu wirken. 1806 nahm Weber die Einladung des Herzogs Eugen I. von Württemberg an und lebte mehrere Monate auf dessen Schloss im schlesischen Carlsruhe, wo zahlreiche Instrumentalwerke entstanden. Der Herzog verlieh ihm den Titel »Musikintendant«.
Durch das Einrücken der französischen Truppen wurde Weber gezwungen, Carlsruhe zu verlassen. Er wandte sich nach Stuttgart, wo er 1807 eine Stelle als Geheimer Sekretär bei Herzog Louis antrat. Weber schuf Kammermusik und begann seinen Roman »Tonkünstlers Leben«, der allerdings ein Fragment blieb. Zudem entstand die Oper »Silvana«. Aufgrund seines kostspieligen Lebensstils und finanzieller Manipulationen seines Dienstherrn wurde Weber 1810 gemeinsam mit seinem Vater inhaftiert und nach Abbüßen der Strafe des Landes verwiesen. Seitdem unterzog sich Weber selbst einer strengen Finanzkontrolle.
In den Jahren 1810 bis 1813 gab Weber zahlreiche Konzerte, reiste viel und nahm weiter Unterricht bei Vogler. Weber versuchte, eine Stelle als Kapellmeister zu erhalten. Sein unstetes Leben zwischen Mannheim, Heidelberg und Darmstadt wurde durch die Freundschaft mit den Musikern Jakob Liebmann Meyer Beer (Giacomo Meyerbeer), Gottfried Weber und Alexander von Dusch geprägt, mit denen er einen »Harmonischen Verein« gründete. Dieser sollte durch Publikationen und anonyme Rezensionen das Ansehen der Mitglieder in der Musikwelt fördern
1813 trat Carl Maria von Weber eine neue Stelle als Kapellmeister am Ständetheater in Prag an. Die Sängerin Caroline Brandt, die in Frankfurt am Main die Hauptrolle in seiner Oper „Silvana“ gespielt hatte, wurde ebenfalls verpflichtet. Weber setzte sich in Prag für die deutsche Oper ein und leitete mehrere Erst- und Uraufführungen. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung verlängerte er den Dreijahresvertrag jedoch nicht.
Weber war auf der Suche nach einem neuen Wirkungsort. Berlin, das eigentlich seine erste Wahl gewesen wäre, bot ihm keine Stelle an. Königsberg und Leipzig hingegen waren für Weber nur von untergeordnetem Interesse, als das Angebot kam, eine neuzugründende deutsche Oper in Dresden zu leiten. Weber willigte ein und wurde am 25. Dezember 1816 offiziell nach Dresden berufen.
Weber als Hofkapellmeister
Am 25. Dezember 1816 wurde Weber offiziell an das Dresdner Hoftheater als Hofkapellmeister des neu gegründeten deutschen Departements der Oper berufen. Der Vorschlag, eine deutsche Abteilung zu gründen und Weber zu engagieren, war von dem Intendanten Heinrich Graf Vitzthum von Eckstädt ausgegangen, und Kurfürst Friedrich August I. stimmte dem Vorschlag schließlich zu. Die Bedingung, dass Weber in diesem Amt auch für die Kirchenmusik zuständig sein und den italienischen Hofkapellmeister Francesco Morlacchi bei den Aufführungen der italienischen Oper unterstützen sollte, sorgten für dauernden Verdruss.
Als Hofkapellmeister setzte Weber mit strenger Hand und gegen Widerstände zahlreiche Neuerungen durch: Er legte eine neue Orchestersitzordnung fest, führte die Benutzung des Taktstocks ein und gründete einen professionellen Opernchor sowie ein Ballett.
Neben seinen Verpflichtungen als Hofkapellmeister war Weber als Komponist ebenso produktiv wie erfolgreich: 1821 konnte er mit seiner Oper »Der Freischütz«, die am 18. Juni 1821 am Königlichen Schauspielhaus Berlin uraufgeführt wurde, einen sensationellen Erfolg feiern. Es folgten Anfragen aus ganz Europa. So entstanden in Dresden seine wichtigsten Werke, unter anderem die Opern »Euryanthe« und »Oberon«, Kantaten, Lieder, Orchesterwerke, Kammermusik sowie zwei Messen. Bis heute überstrahlt aber der »Freischütz« das umfangreiche kompositorische Schaffen des Romantikers.
Im Kleinen Hoftheater, welches auch Morettisches Opernhaus genannt wurde, befand sich Webers Hauptwirkungsstätte – hier dirigierte er zahlreiche Opern. Das Gebäude wurde 1761 durch den italienischen Opernimpressario Pietro Moretti gebaut, der dort ein kommerzielles Theater errichtete. 1763 wurde es vom Hof gekauft und als Hoftheater genutzt, da das Große Opernhaus am Zwinger in der Unterhaltung zu kostspielig geworden war. Das Kleine Hoftheater fasste etwa 800 Zuschauer und wurde bis zur Einweihung der ersten Semperoper 1841 genutzt.
Das Theater im Linckeschen Bad befand sich außerhalb der Stadt in der Nähe des heutigen Diakonissenkrankenhauses. Dort dirigierte Weber zahlreiche Vorstellungen, da der Hof das Gebäude ab 1817 gemietet hatte. Bis 1826 fand ein Viertel aller Opernvorstellungen in dem Vorstadttheater statt.
Das Große Opernhaus am Zwinger wurde zu Webers Zeiten nur noch für Konzerte genutzt, da der Betrieb zu teuer war. Weber dirigierte hier am 6. Juni 1824 ein Benefizkonzert für Opfer des Stadtbrandes in Schwarzenberg. Das Gebäude war 1719 anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen als eines der größten Opernhäuser nördlich der Alpen erbaut worden und fasste bis zu 2.000 Zuschauer. Nach 1763 wurde es nur noch für Festlichkeiten, Konzerte und Bälle genutzt. 1848 brannte es beim Maiaufstand nieder.
Das erste von 1838 bis 1841 errichtete Opernhaus von Gottfried Semper war zur Elbe hin ausgerichtet. Hier erlebten einige Opern Richard Wagners ihre Uraufführung. Es war sehr modern ausgestattet und besaß beispielsweise eine Beleuchtungsanlage mit Gas. Bei der Wartung der Leitungen 1869 entzündete sich das Gas und das Theater brannte nieder.
Nach der Zerstörung der ersten Semperoper entwarf Gottfried Semper, der auch an den Maiaufständen 1848 teilgenommen hatte und Sachsen hatte verlassen müssen, im Exil den zweiten Semperbau. Sein Sohn Manfred leitete in Dresden die Bauarbeiten. Das Opernhaus wurde 1878 mit Webers »Jubel-Ouvertüre« eingeweiht.
Weber fand schnell Anschluss an die Dresdner Gesellschaft: Er wurde Mitglied des Dresdner Liederkreises, gab eigene Abendgesellschaften und pflegte Kontakte zu Dresdner Persönlichkeiten wie den Schriftstellern Ludwig Tieck, Friedrich Kind, Carl August Böttiger und Theodor Hell (alias Theodor Winkler), dem Maler Gerhard von Kügelgen und den Sängerinnen Helmina von Chézy und Wilhelmine Schroeder-Devrient.
Der Mensch Carl Maria von Weber
Charakterlich tritt uns Weber in seinen unzähligen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen als ein sympathischer, humorvoller, grundsätzlich optimistischer und gläubiger Mensch entgegen. Gleichzeitig erscheint er als ein leidenschaftlicher, energiegeladener und disziplinierter Musiker, der im Theater zuhause war und etwas bewegen wollte. Er setzte sich für das deutsche Theater ein und ließ sich für Projekte begeistern. Dabei wählte er teils unkonventionelle Wege, um seine Ziele zu erreichen. Neben den Tätigkeiten als Komponist und Dirigent versuchte er sich als Schriftsteller und gab sein Wissen an Schüler weiter. Bis kurz vor seinem Tod stand er am Dirigentenpult, um seine Familie finanziell abzusichern. Sein stets straffes Arbeitspensum überforderte mitunter seine Mitmenschen und isolierte ihn zeitweise von ihnen, und er verfiel in eine »täglich mehr um sich greiffende Melancholie«.
Carl Maria von Weber litt zeitlebens unter gesundheitlichen Problemen und wusste, dass er aufgrund der Erkrankung an Tuberkulose nicht alt werden würde. Seine letzten Lebensmonate müssen schmerzvoll gewesen sein – er bekam kaum Luft und konnte wegen seiner angeschwollenen Beine keine Schuhe mehr tragen; in Pantoffeln stand er vor dem Orchester, und weil er kaum noch sprechen konnte und Blut spuckte, kommunizierte eine Art Dolmetscher mit den Musikern. Trotzdem wollte Weber für seine Familie noch so viel Geld wie möglich verdienen und wehrte sich gegen den nahenden Tod.
Am 16. Februar 1826 reiste er über Paris nach London, um den »Oberon« uraufzuführen. Reise- und Arbeitsbelastung setzten ihm sehr zu. Carl Maria von Weber starb in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1826; sein Leichnam wurde in der katholischen St. Moorsfield Chapel beigesetzt. Letztlich musste sich Weber dem Schicksal fügen – ganz nach seinem Lebensmotto: »Wie Gott will!«
Weber in Hosterwitz
»O Hosterwitz! O Ruhe«, schrieb Carl Maria von Weber im Mai 1823 in sein Tagebuch. In den Sommermonaten der Jahre 1818/19 und 1822 bis 1824 hatte der Hofkapellmeister einige Zimmer in einem Winzerhaus im nahe Dresden gelegenen Hosterwitz gemietet, wo er mit seiner Familie die Sommermonate verbringen sollte. Die Einmietung war nötig geworden, weil Weber im nahe gelegenen Schloss Pillnitz die Leitung der sommerlichen Opernaufführungen und musikalische Dienste für den Hof übernommen hatte. Der kurze Weg zwischen Schloss und Quartier ermöglichte ihm ein flexibles Arbeiten – und so wurde auch im Winzerhaus geprobt.
In Hosterwitz schuf Weber einige seiner bedeutendsten Kompositionen, wie die Opern »Euryanthe« und »Oberon«, viele Lieder sowie Kammermusik. Die Landschaft inspirierte ihn, und hier fand er Ruhe und Muße zum Komponieren. Zum Haushalt gehörten mehrere Haustiere. Neben einem Hund, einer Katze und einem Raben auch das Kapuzineräffchen Schnuff, das wie ein Familienmitglied behandelt wurde. Der Dichter und Ehemann seiner Enkeltochter, Ernst von Wildenbruch, ließ später an der Laube im Garten des Winzerhauses eine Gedenktafel anbringen, die suggeriert, dass der »Freischütz« in Hosterwitz entstanden sei.
Inspiriert und beeinflusst worden mag die berühmte Oper »Der Freischütz« durch Spaziergänge im nahe gelegenen Keppgrund und durch Ausflüge in die Sächsische Schweiz. Weber liebte die Abgeschiedenheit und Ungezwungenheit auf dem Land.
Von Hosterwitz ins Elbsandsteingebirge
Hotspots der Ausflügler im 19. Jahrhundert
Überall dieselbe alte Leier. Das Layout ist fertig, der Text lässt auf sich warten. Damit das Layout nun nicht nackt im Raume steht und sich klein und leer vorkommt, springe ich ein: der Blindtext.
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Webers Refugium
Das Winzerhaus in Hosterwitz
Weber empfing in seinem Sommeridyll Freunde und Künstler, wie die Dichter Friedrich Kind, Ludwig Tieck und Wilhelm Müller, die Komponisten Johann Nepomuk Hummel und Heinrich Marschner sowie die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Man besprach Projekte, musizierte gemeinsam oder genoss bei einem Glas Wein die umliegende Natur.
Das Haus, das Weber in den Sommermonaten zeitweise bewohnte, gehört heute zu den ältesten erhaltenen Wohnhäusern im Stadtgebiet Dresdens. Erbaut um 1664 / 65 als einfaches Fachwerkhaus, erfolgte im 18. Jahrhundert ein Anbau; Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine hölzerne Veranda hinzugefügt. Zu Lebzeiten Webers gehörte das Gebäude, welches sich damals auf der »Äpfelallee« (heute Dresdner Straße 44) befand, der Winzerfamilie Felsner. Weber lieh seinem Vermieter Geld für den Bau eines Brunnens und eines Stalles samt Wagen-Remise; höchstwahrscheinlich beteiligte er sich sogar an den Baukosten.
»Der Freischütz«, ein Superhit der Operngeschichte
Der »Jägerchor« und der »Jungfernkranz« aus dem »Freischütz« sind zeitlose Melodien, denen jeder schon irgendwann einmal begegnet sein dürfte. Das Werk gehört zu den meistgespielten Opern im deutschsprachigen Raum und gilt als Urtyp der romantischen Oper schlechthin. Hier stehen die großen Themen der Romantik im Mittelpunkt: der Wald und die Natur, übersinnliche Kräfte, märchenhafte Symbolik, faustische Tiefe und – natürlich – die Liebe.
Weber soll die Freischütz-Sage bereits 1810 bei einem Besuch auf Stift Neuburg bei Heidelberg kennengelernt haben und gefesselt von dem Stoff gewesen sein. Kurz nachdem er am 17. Januar 1817 seinen Dienst in Dresden angetreten hatte, lernte er den Dichter Johann Friedrich Kind kennen. Kind stellte ihm den Stoff aus August Apels »Gespensterbuch« vor.
»Heute Abend im Theater sprach ich Friedrich Kind, den hatte ich gestern so begeistert, daß er gleich heute eine Oper für mich angefangen hat. Morgen gehe ich zu ihm, um den Plan ins Reine zu bringen. Das Sujet ist trefflich, schauerlich und interessant. Der Freyschütze. Ich weiß nicht ob du die alte Volkssage kennst.«